Eine Wüstenlandschaft. Ein Caravan mit Vorhängen an den Fenstern hat sich zwischen trockene Stauden und viel Sand verirrt. Ein verlorenes Country evoziert die Bühne im Theater Basel, aber auch ein Versprechen: von Weite, von Aufbruch.
Dem Lebensgefühl einer jungen Generation wollen sich Tomas Schweigen und «Faraday Cage» in ihrer jüngsten Produktion im Theater Basel annähern - jener Generation, die in den sechziger Jahren jung war, erst noch tanzen sie brav und züchtig Squaredance-Schritte zum Folksong, aber schon treibt es sie im Innern: auf und davon, in die Weite der Welt, like a Rolling Stone. Rollende Steine setzen kein Moos an, sagte man in den USA, und meinte mit dem Begriff auch Landstreicher. Auf in eine ungewisse, aber gewiss bessere Zukunft.
Die Truppe im Theater Basel geht den Stoff von verschiedenen Seiten an. Schicht um Schicht legt sie auf der Bühne frei: Da sind die Vorgänger, die einen Bob Dylan ermöglichten. Da ist das Nachspüren, wer war dieser Bob Dylan denn, der 1965 diesen Jahrhundertsong schrieb? Wer waren die Leute in seinem Umfeld, die Protestsänger, Woodie Guthrie, Joan Baez, sie kommen alle auf die Bühne: Alan Ginsberg, Andy Warhol, John F. Kennedy - Namen, die klingen wie Mythen.
Die Sehnsucht nach Authentizität
Die Auseinandersetzung mit Bob Dylan und seinem Song «Like A Rolling Stone» im Theater Basel ist eine historische Spurensuche. Wie fühlten sich die famosen Sechziger an? Es ist das Einfühlen einer jungen Generation von heute in eine ältere, naturgemäss ist es ein musikalisches Einfühlen. Und man muss es einmal mehr sagen: sie spielen und singen fabelhaft gut! Die von Sympathie getragene Annäherung an eine Zeit und ihre Träume. In den bewegendsten Momenten an diesem Abend stellt sich so etwas ein wie eine generationenübergreifende Sehnsucht: nach Authentizität, nach der utopischen Veränderung.
Kein Abend für Gralshüter
Und Bob Dylan in allem dem? Er bleibt klugerweise die Leerstelle, um die herum das Ganze konzipiert ist. Er macht bloss Stippvisiten auf der Bühne. Seine Musik ist die Musik, die man im Aufnahmestudio entstehen sieht, aber nicht hört; die Musik im Ohrstöpsel, die nur vermittelt zu hören ist: wenn die Schauspieler, Kopfhörer auf den Ohren, laut mitsingen.
Man mag nun einwenden, das sei alles doch ein wenig dünn. Tatsächlich werden eingefleischte Dylanologen kaum zufrieden sein, und die Liebhaber historischer Musikaufnahmen werden auf die bessere Version in ihrem Plattenschrank verweisen. Dadurch, dass der Abend bei der Spurensuche bleibt und keine eigene Geschichte erzählt (zum Beispiel: eine Theatertruppe will einen Dylansong aufnehmen) verliert er sich zwischendurch in der Unübersichtlichkeit des Materials und büsst an Spannung ein. Möglicherweise hätte eine offensivere Selbstbefragung der Rolle als Schauspieler gut getan, wie sie «Faraday Cage» in früheren Arbeiten stärker pflegte.
Zauberhaft
Aber - und dies ist ein grosses Aber: Sie entführen uns auf die zauberhafteste Weise in eine Epoche, die wir fern glaubten und deren Träume uns doch ganz nah sind. In die zunehmende Unübersichtlichkeit einer Dekade, in der die Popkultur ihren ersten Auftritt hatte. Zu den Hippies, in Andy Warhols «Factory», auf den Mond. Und ans Lagerfeuer in der Wüste, an dem der originale Bob Dylan am Ende - so viel Hommage muss sein - das letzte Wort hat.